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Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, Bund aktiver Demokraten e.V. - Der KGB in Potsdam – Besuch der Gedenkstätte im Gefängnis Leistikowstraße

03.12.2014  • 
Landesverband Berlin-Brandenburg

Der KGB in Potsdam – Besuch der Gedenkstätte im Gefängnis Leistikowstraße

Am 29. November unternahm der Landesverband Berlin-Brandenburg eine Bildungsfahrt nach Potsdam zum früheren KGB-Untersuchungsgefängnis in der Leistikowstraße. Die Leiterin der Gedenkstätte, Frau Dr. Ines Reich, führte die Mitglieder und einige Interessierte durch das Gebäude, das bis zur Potsdamer Konferenz Sitz der Frauenhilfe des Evangelisch-Kirchlichen Hilfsvereins gewesen war. Im August 1945 wurde es enteignet und Teil des sowjetischen Militärstädtchens Nr. 7. In diesem an die 100 Gebäude umfassenden Komplex, der von der Öffentlichkeit völlig abgeriegelt wurde, befand sich bis 1990 unter anderem die deutsche Kommandozentrale des KGB. Die Gedenkstätte blieb in dem Zustand erhalten, in dem das Gebäude vom KGB verlassen wurde. Bei der Sanierung wurde Wert darauf gelegt, alle nach 1945 erfolgten Umbauten bis hin zu den Grafittis an den Wänden zu erhalten.

Das Gefängnis diente als zentrales Untersuchungsgefängnis für Menschen, denen Spionage, Sabotage oder Mitgliedschaft im Werwolf (eine NS-Organisation, die den Krieg im Untergrund fortführen sollte, aber völlig wirkungslos blieb) vorgeworfen wurde – zur letzteren Gruppe gehörte auch Hermann Schlüter, der Großvater unseres Kameraden Andreas Schlüter. Er geriet ins Visier des KGB, weil er häufig den obligatorischen Russischunterricht schwänzte. Auch einige seiner Freunde wurden verhaftet und im Anschluss an die Untersuchungshaft in der Leistikowstr. zum Tode verurteilt. Während seine Freunde erschossen wurden, hatte Hermann Schlüter Glück und wurde begnadigt.

Neben solchen Einzelschicksalen stand die Arbeit der Gedenkstätte im Zentrum der Führung. Dabei ging es um die Frage, wie die Geschichte eines Ortes zu erforschen und darzustellen sei, über den es kaum handfeste Informationen gibt und dessen Insassen oft selbst nicht wussten, wo sie festgehalten wurden. Da viele russische Quellen nach wie vor verschlossen bleiben und ab 1955 überwiegend sowjetische Militärangehörige im Gefängnis einsaßen, ist die Überlieferungskette sehr dünn. Von vielen Opfern existiert nicht viel mehr als ein Name, von den Tätern war ursprünglich nicht einmal der bekannt. Ein wesentlicher Teil der heutigen Kenntnisse basiert auf den Aussagen der Gefangenen und den Unterlagen eines sowjetischen Überläufers, der in der Leistikowstraße Dolmetscher war und dem amerikanischen Geheimdienst unzählige Fotos und Akten über den Ort übergab. Diese Unterlagen konnten ausgewertet werden, sie ermöglichten die Identifizierung zahlreicher Häftlinge und Täter.

Die Leistikowstr. 1 war nicht nur ein Foltergefängnis in einer Diktatur, sie war auf ein Zentrum des Kalten Krieges. Bei vielen Gefangenen kann bisher nicht rekonstruiert werden, warum sie wirklich einsaßen und ob die Vorwürfe gegen sie zumindest teilweise zutrafen. Dennoch wurde deutlich, dass sie zu Opfern eines Systems wurden, das für sie keine rechtsstaatlichen Verfahren vorsah. Ihr weiterer Weg führte meist vor ein Erschießungskommando oder in den Gulag. Frau . Reich beklagte in diesem Zusammenhang, dass die Gedenkstätte bis heute zwischen vielen Interessengruppen stehe – so sei nicht nur die Akteneinsicht in Russland problematisch, auch in Deutschland gebe es Versuche von Opfergruppen und aus der Politik, die Darstellung der Forschungsergebnisse in ihrer Komplexität zu beeinflussen.
So ergab sich für die Besucher viel Gesprächsstoff für den anschließenden gemeinsamen Spaziergang durch Potsdam, wo wir den Tag auf dem Weihnachtsmarkt und im Wiener Café gemeinsam ausklingen ließen.